Was denn nun – Niederigenergiehaus oder Energieschleuder??
Immobilien sind zur Zeit sehr gefragt. Die Zinsen sind niedrig aber begehrter Wohnraum ist knapp und deshalb teuer. Wenn man sich trotzdem zu einer so langfristig bedeutenden Entscheidung durchringt, möchte man sich wenigsten weitgehend vor Fehlentscheidungen schützen. Der inzwischen vorgeschriebene Gebäudeenergiepass soll vor Überraschungen beim Energiebedarf eines erworbenen Hauses schützen.
Aber leistet er das wirklich auf einfache und intuitive Weise? Schauen wir uns diesen realen Fall an.
Die Internet-Anzeige ist tituliert mit:
„Elegantes Niedrigenergie-Stadthaus in Waldrandlage; Wohnfläche ca. 145 m², Nutzfläche ca. 73 m²“
Im gedruckten Expose steht:
„Der Energiebedarfskennwert beträgt lt. Bedarfsausweis hervorragende 69 kWh/m²/Jahr.“
Auf Nachfrage wird ein Energieverbrauchsausweis vorgelegt, der 106 kWh/m²/a testiert und zur Bestätigung der Angaben im Expose erhält der Interessent der Immobilie einen Wärmeschutznachweis von 1997 mit der Eintragung „69 kWh/m²/a (Niedrigenergiehaus!)“
Passen alle diese Angaben zusammen? Ist das Haus in einem energetisch guten Zustand oder nicht?
Beginnen wir mit dem Begriff Niedrigenergiehaus. Als das Haus 1999 gebaut wurde, war die Wärmeschutzverordnung von 1995 gültig. Zu dieser Zeit wurden Häuser mit einem Heizwärmebedarf von weniger als 70 kWh/m²/Jahr so bezeichnet. Aber anders als heute wurde der Bedarf für Warmwasserbereitung damals nicht berücksichtigt. Ein aktueller Energiebedarfsausweis würde also für das selbe Gebäude mindestens 12,5 kWh/m²/Jahr höher ausfallen.
Auch der Wärmeschutznachweis enthält interessante Informationen. Der für die damaligen Verhältnisse niedrige Wärmebedarf wurde durch folgende Maßnahmen geplant.
- Hochwertige monolithische Außenwände, also Steine mit vielen Lufteinschlüssen, die keine zusätzliche Außendämmung benötigen;
- sehr gut gedämmte Fenster mit deutlich besseren Eigenschaften als die heutigen Mindeststandarts und
- eine besonders gedämmte Decke über dem ungeheizten Keller.
Diese Angaben werfen einige Fragen auf.
- Der Keller ist heute beheizt und bewohnt. Aber die Kellerwände wurden energetisch nicht spezifiziert, da sie im ursprünglichen Konzept keine Bedeutung hatten. Mit welchen Dämmeigenschaften wurden sie gebaut?
- An den Außenwänden kann man eine außen angebrachte Dämmschicht erkennen. Entsprechen die Wände wirklich den Planwerten?
Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass das Gebäude erst 2 Jahre nach Genehmigung der ursprünglichen Planung gebaut wurde und vermutlich von der Planung abweicht!
Als einzige aktuelle Dokumentation des Gebäudes wurde kein Energie-BEDARFS-Ausweis sondern ein VERBRAUCHS-Ausweis vorgelegt. Das ist tatsächlich zulässig, falls das Gebäude nach 1977 gebaut wurde – also mindestens die Wärmeschutzverordung von 1977 einhalten muß.
Schließlich entdecken wir noch einen brisanten Aspekt in dem (mit nur wenigen Angaben) erstellten Verbrauchsausweis. Er zeigt den Energieverbrauch der letzten drei Jahre – korrigiert um die örtlichen Temperaturabweichungen vom mittleren Klima. Diese normierten Verbrauchswerte werden durch die energetische Nutzfläche des Hauses geteilt. Dazu wird die Wohnfläche mit einem Faktor multipliziert, der davon abhängt, ob der Keller beheizt oder unbeheizt ist. In dem Ausweis wurde die im Expose genannte Nutzfläche aber zur Wohnfläche dazugeschlagen und zusätzlich ein beheizter Keller angesetzt! So kam eine weit erhöhte energetische Nutzfläche von 294 m² statt 196 m² zusammen. Der normierte Energieverbrauch dieser Immobile müsste also richtigerweise mit 159 kWh/m²/Jahr statt 106 kWh/m²/a angegeben werden!
Dieses Haus ist heute kein Niedrigenergiehaus und war es sicherlich auch nie!
Ich kann sehr gut verstehen, dass die oben beschriebenen Zusammenhänge sehr verwirrend wirken. Lassen Sie sich deshalb von einem Experten beraten, bevor Sie eigene Schlüsse über den energetischen Zustand einer Immobilie treffen.