Baukosten von energieeffizienten Gebäuden
Können sich nur privilegierte Menschen Häuser und Wohnungen mit hohem und höchstem Energiestandard leisten? In der aktuellen politischen Diskussion wird viel über bezahlbaren Wohnraum gesprochen. Einige Interessengruppen haben schnell den Übertäter identifiziert: Die Gesetze und Verordnungen unserer energetischen Baurichtlinien treiben die Baukosten in unbezahlbare Höhen.
Tatsächlich wurde die Energieeinsparverordnung EnEV innerhalb weniger Jahre mehrfach verschärft und die EU fordert noch höhere Energieeffizienz für Neubauten ab 2020. Die Klimaziele verlangen einen Rückgang des Energieverbrauchs aller unserer Gebäude von mindestens 25% bis zum Jahr 2030 und 75% bis 2050. Wir müssen also so schnell wie möglich alle Neubauten so gestalten, dass sie einen vernachlässigbaren Verbrauch an fossilen Energien benötigen. Ein solcher Strukturwandel erfordert aber drastische Änderungen in der Immobilienwirtschaft in jeder Hinsicht. Es sollte es uns also nicht wundern, dass es heftige Gegenreaktionen aus verschiedenen Richtungen gibt.
Stimmen nun die Aussagen über die Baukostenerhöhung oder nicht? Wir sehen tatsächlich einen Trend zu mehr Gebäudetechnik in Neubauten, d.h. kostentreibender elektrischen, sanitärer, Heizungs- und Kühl-Aggregate in Ergänzung zum Baukörper. Andererseits ist die effizienteste Gebäudenorm, das Passivhaus, so konstruiert, dass eine Heizungsanlage gar nicht erst benötigt wird.
Wie passt das alles zu einem Gesamtbild zusammen? Ich versuche in meiner Blogserie „Eine Mauer ist noch keine Wand“ deutlich zu machen, dass ein Gebäude ein komplexes System von bauphysikalischen Wechselwirkungen darstellt, die mit steigendem Energiestandard weniger fehlertolerant werden. Jeder Beteiligte im Baugewerbe, vom Architekten bis zum Handwerker, benötigt also einen zunehmenden Überblick über diese Komplexität um gute Qualität liefern zu können. Wer sich aber nicht weiterbildet, ist schnell verleitet Ausreden zu finden. Die Antwort auf die Frage der Baukosten ist entsprechend einfach zu beantworten: Erfahrene und kompetente Planer, die die Energieeffizienz als gleichberechtigen Aspekt respektieren, sind in der Lage höchste Energiestandards ohne signifikante Mehrkosten zu realisieren. Zu dieser Schlussfolgerung kommen auch zwei große Studien aus Hamburg und Freiburg: Die Baukosten sind im Wesentlichen nicht getrieben von dem erzielten Energielevel des Gebäudes!
Wer einen in Energiefragen unerfahrenen Planer beauftragt, sollte sich nicht wundern, wenn ein geforderter Energiestandard nach der gestalterischen Planung nur mit teurem gebäudetechnischem Aufwand erreicht werden kann. Wärmebrücken, Lüftungskonzepte und solare Energiegewinne müssen beim Planungsprozess gleichberechtigt mit der Funktionalität und Ästhetik des Gebäudes berücksichtigt werden. Fragen Sie Ihren Architekten nach seinen Referenzen.
Foto: Grünert