Eine Mauer ist noch keine Wand (1)
Ich bin als Kind gerne in den Ferien zu meiner Tante „auf’s Land“ gefahren. Ihr Häuschen hatte sich jedesmal verändert. Der befreundete Maurer hatte dann wieder einmal ein paar Steine mit Mörtel aufeinandergesetzt und mit wenigen Balken ein Dach konstruiert, kurz die Mauer verputzt und fertig war das neue Zimmer. Seitdem hat sich viel geändert. Moderne Häuser müssen uns vor zunehmenden Wetterextremen schützen und möglichst klima-neutral bewohnt werden können. Die Wände unserer Häuser müssen also viel mehr leisten als nur der Statik der Dachlast dienen.
Bevor Sie mit handwerklichem Talent an Ihr nächstes Sanierungsprojekt gehen, sollten Sie verstehen, dass eine Außenwand Ihres Hauses ein wichtiger Bestandteil der thermischen Hülle ist und sieben voneinander abhängige Funktionen erfüllen muss:
- Schlagregenfestigkeit,
- Winddichtigkeit,
- Thermische Dämmung,
- Luftdichtheit,
- Feuchteregulierung,
- Thermische Speicherung
- und natürlich Statik.
Alle haben Auswirkungen auf die thermischen Eigenschaften der Wand, die einen warmen Raum von der Kälte oder Hitze des äußeren Wetters schützen soll.
Luftdichtheit
In dieser ersten Folge möchte ich nur die Luftdichtheit betrachten, die aus zwei sehr unterschiedlichen Gründen sehr bedeutsam ist: 1. Bauschäden und 2. Energiebilanz.
Wieso kann eine undichte Stelle Bauschäden in einer Außenwand verursachen?
Im Winter haben wir im Gebäudeinneren eine typische Temperatur von 20°C, während es außen 30 Grad kälter sein kann. Wenn Luft durch die Wand durchströmt, kühlt sie sich ab und verliert dabei die Aufnahmefähigkeit für Wasserdampf. Bei der Temperatur, die wir Taupunkt nennen, kondensiert der in der Luft befindliche Wasserdampf und diffundiert in das Wandmaterial. Nur wenn es ausreichend Möglichkeiten und Zeiträume gibt, an denen das in die Wand eingedrungene Wasser wieder verdunsten kann, kann ein langfristiger Bauschaden verhindert werden.
Die Menge an Kondenswasser kann beträchtlich sein: Eine Fuge von einem Meter Länge und einem Millimeter Breite transportiert am Tag bis zu 350 ml Wasser nach außen! Dieses Wasser ist in 35 m³ Luft enthalten, die irgendwo als kalte Luft ins Haus nachströmt und auf Zimmertemperatur aufgeheizt werden muss und damit einen bedeutenden Anteil am Energiebedarf des Gebäudes darstellt.
Ein energieeffizientes und bauphysikalisch sinnvolles Gebäude hat deshalb eine sorgfältig ausgeführte rundum geschlossene luftdichte Ebene um Infiltration so gut wie möglich zu vermeiden. Betonbauteile sind luftdicht; andere massive Wände müssen ganzflächig verputzt werden; Holzkonstruktionen für Dächer und Wände werden auf der Innenseite mit eine dampfdichten Folie abgedichtet. Darüberhinaus sind natürlich alle Anschlussstellen zwischen zwei Bauteilen (zB. Fenster zu Wand, Dach zu Giebel, etc.) Kandidaten für Luftundichtigkeit. Besonders Installationsleitungen an Aussenwänden werden ungewollte „Belüftungspunkte“ einer vorher dichten Wand. Typische Bestandsbauten tauschen in deutlich weniger als zwei Stunden ihren Luftinhalt komplett durch Infiltration durch solche Luftundichtigkeiten aus.
Bei einem Neubau muss zum Nachweis der Luftdichtheit ein Überdrucktest durchgeführt werden. Dann würde durch Infiltration nur alle 7 Stunden oder länger die Luft des Gebäudes ausgetauscht werden. Nur so macht es Sinn Luft über ein Lüftungssystem kontrolliert in das Haus hinein- und herauszuleiten. Dabei wird die eintretende Luft gezielt aufgeheizt und beim Austritt kann die enthaltende Wärmeenergie wieder verwendet werden. Für unseren Wohnkomfort sollten wir die Luft alle 2-3 Stunden komplett erneuern.
Eine Antwort
[…] passt das alles zu einem Gesamtbild zusammen? Ich versuche in meiner Blogserie „Eine Mauer ist noch keine Wand“ deutlich zu machen, dass ein Gebäude ein komplexes System von bauphysikalischen […]